Säule 2 im Anmarsch: Regionale Modellprojekte zur Cannabisabgabe in Fachgeschäften
Seit der Verabschiedung des Konsumcannabisgesetzes (KCanG) in Deutschland wird intensiv darüber spekuliert, ob die versprochene „Säule 2“ – die Einrichtung von regionalen Modellprojekten zur Cannabisabgabe in Fachgeschäften – noch umgesetzt wird. Nun scheint es, dass sich genau diese Projekte, ohne die Notwendigkeit eines neuen Gesetzes, auf den Weg machen. Ein Entwurf für die sogenannte „Konsumcannabis-Wissenschafts-Zuständigkeitsverordnung“ (KCanWV) lässt darauf schließen, dass diese Modellprojekte im Rahmen des bestehenden Gesetzes umgesetzt werden sollen. Doch was bedeutet das konkret für die Cannabis-Politik in Deutschland?
Ein Blick auf die KCanWV: Die BLE wird zur zuständigen Behörde
Der vorliegende Entwurf zur „Konsumcannabis-Wissenschafts-Zuständigkeitsverordnung“ (KCanWV) bringt Bewegung in die Debatte um die Legalisierung von Cannabis in Fachgeschäften. Der zentrale Inhalt dieses Entwurfs ist die Bestimmung der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) als die zuständige Behörde für die Modellprojekte. Dies ist im Kontext von § 2 (4) des Konsumcannabisgesetzes relevant, der eine sogenannte „Forschungsklausel“ enthält. Diese Klausel erlaubt es, Cannabis zu wissenschaftlichen Zwecken zu besitzen, anzubauen und weiterzugeben, allerdings nur mit entsprechender Genehmigung.
Der Paragraf erinnert stark an den Forschungsparagraphen im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) und schafft eine rechtliche Grundlage, über die die geplanten Modellprojekte realisiert werden können. Damit scheint es so, als ob die Bundesregierung tatsächlich keinen weiteren gesetzlichen Rahmen für die Umsetzung von Säule 2 schaffen muss. Stattdessen soll die BLE in Zukunft die Genehmigungen für diese Modellprojekte erteilen.
BLE statt BfArM: Ein pragmatischer Ansatz
Dass die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) und nicht das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als zuständige Behörde bestimmt wurde, hat bei vielen Befürwortern der Legalisierung für Erleichterung gesorgt. Das BfArM, das bisher für die Genehmigung von Modellprojekten nach § 3 BtMG zuständig war, hat in der Vergangenheit sämtliche Anträge für Cannabis-Modellprojekte abgelehnt. Es wird erwartet, dass die BLE als untergeordnete Behörde des Landwirtschaftsministeriums unter Cem Özdemir einen pragmatischeren Umgang mit den Modellprojekten verfolgt.
Der Wechsel der Zuständigkeit zu einer Behörde des Landwirtschaftsministeriums ist vor allem aus zwei Gründen eine positive Entwicklung. Zum einen steht Minister Cem Özdemir bekanntlich der Legalisierung von Cannabis offen gegenüber, was die Chancen für die Genehmigung der Modellprojekte erheblich erhöht. Zum anderen könnte dieser Schritt eine Art „Schlupfloch“ darstellen, das es ermöglicht, den bürokratischen Aufwand für die Legalisierung gering zu halten, ohne sich erneut durch ein komplexes Gesetzgebungsverfahren kämpfen zu müssen.
Schnellere Umsetzung ohne neues Gesetz
Einer der größten Vorteile dieser Lösung liegt darin, dass kein neues Gesetz erforderlich ist, um die Modellprojekte zu ermöglichen. Stattdessen wird eine Verordnung genutzt, die es der BLE ermöglicht, die Zuständigkeit zu übernehmen und damit schnell und unbürokratisch Entscheidungen zu treffen. Sollte der Entwurf zur KCanWV tatsächlich in den kommenden Monaten verabschiedet werden, könnten schon bald die ersten Anträge von interessierten Kommunen und Unternehmen gestellt werden. In einigen Städten könnten dann bereits während der aktuellen Legislaturperiode die ersten Cannabis-Fachgeschäfte eröffnen.
Dieser Ansatz birgt aber auch Risiken: Da die BLE als zuständige Behörde über einen erheblichen Ermessensspielraum verfügt, hängt der Erfolg der Modellprojekte stark von der aktuellen politischen Lage ab. Sofern das Landwirtschaftsministerium weiterhin von einem cannabisfreundlichen Minister geführt wird, dürften die Chancen für die Umsetzung der Projekte gut stehen. Doch sollte sich die politische Mehrheit ändern, könnte eine künftige Regierung – insbesondere eine CDU-geführte – relativ einfach entscheiden, keine neuen Modellprojekte mehr zu genehmigen. Es bräuchte kein neues Gesetz, um diese Politik rückgängig zu machen, was die Nachhaltigkeit dieser Lösung unsicher macht.
Ein Hoffnungsschimmer für die Legalisierung
Dass dieser Schritt überhaupt erfolgt, ist für viele eine positive Überraschung. Lange Zeit schien es so, als ob es in dieser Legislaturperiode keine weiteren Fortschritte in Richtung Cannabis-Legalisierung geben würde. Doch mit dem aktuellen Entwurf der KCanWV und der Bestimmung der BLE als zuständige Behörde gibt es nun wieder einen klaren Weg vorwärts. Es zeigt sich, dass die Bundesregierung trotz aller Hürden bereit ist, ihren im Koalitionsvertrag festgelegten Versprechen nachzukommen.
Die Modellprojekte könnten somit ein entscheidender Schritt hin zur Legalisierung von Cannabis in Deutschland sein. Sie sollen nicht nur den Konsumenten legale Bezugsmöglichkeiten bieten, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur Verdrängung des Schwarzmarktes leisten. Zudem ermöglicht die wissenschaftliche Begleitung dieser Projekte wichtige Erkenntnisse über den Umgang mit Cannabis in einer regulierten Umgebung, die langfristig die Basis für eine umfassendere Legalisierung bilden könnten.
Fazit: Ein mutiger Schritt nach vorne
Mit der Einführung der Konsumcannabis-Wissenschafts-Zuständigkeitsverordnung (KCanWV) zeigt die Bundesregierung, dass sie gewillt ist, schnell und pragmatisch vorzugehen, um Cannabis-Modellprojekte zu ermöglichen. Die Bestimmung der BLE als zuständige Behörde könnte genau der Impuls sein, der die Legalisierungsdebatte in Deutschland voranbringt. Interessierte Kommunen und Unternehmen sollten die Chance nutzen, ihre Anträge vorzubereiten, denn möglicherweise gibt es bald grünes Licht für die ersten Cannabis-Fachgeschäfte in Deutschland. Bleibt zu hoffen, dass dieser pragmatische Ansatz auch die gewünschten Erfolge bringt und ein dauerhaftes Umdenken in der deutschen Drogenpolitik einleitet.